Von Konfetti bis Kult.

Die Historie der Licaria

Faschingsfieber seit Generationen

Der Fasching in Landsberg hat eine lange Tradition. Seinen Ursprung hatte er in den 1950er Jahren. Seit dieser Zeit hat er Höhen und Tiefen durchlebt. Einige Zeugnisse der wechselvollen Geschichte – vor allem die Erinnerungen älterer Landsberger – findest du hier.

Hilf‘ mit, die Geschichte des Landsberger Faschings zu dokumentieren! Schick‘ uns Deine persönlichen Erinnerungen an schöne, närrische Momente. Gerne mit den Bildern die Angabe zu Jahr und Anlass. In Planung ist eine eigene Galerie hier auf der Licaria-Homepage.

Der Lumpige Donnerstag im Laufe der Zeit


von Thomas Wunder (aus dem Jahre 2011)

Licaria – nur wenige Landsberger werden wissen, was sich hinter diesem Begriff verbirgt. Es ist der Name jener Faschingsgesellschaft, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg in der Stadt gründete und die das närrische Treiben jener Zeit stark beeinflusste. Ja, Landsberg wurde lange Jahre von einem Faschingsprinzenpaar regiert, ehe diese Tradition Anfang der 60er-Jahre ihr Ende fand. So haben Umzug und Feierlichkeiten am Lumpigen Donnerstag in den vergangenen 60 Jahren immer wieder ihr Gesicht verändert – ein Rückblick.

Schon vor über 150 Jahren war der Lumpige Donnerstag der Höhepunkt des Faschings in Landsberg. Das „Narrencomité“ lud seinerzeit zum Maskenzug durch die Stadt, in den Gasthäusern fanden am Abend zahlreiche Bälle statt. Nicht anders wurde der Lumpige Donnerstag in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg begangen. Auch damals fand ein Umzug statt, am Nachmittag tobten maskierte Kinder durch die Altstadt und zu später Stunde wurde in den großen Sälen der Wirtshäuser gefeiert – die Lumpenbälle waren allseits beliebt.
Einer festen Choreografie folgten die Mitglieder der Faschingsgesellschaft Licaria. Am Morgen des Lumpigen Donnerstags versammelten sich

Prinzenpaar, Hofmarschall und Prinzengarde auf dem Hauptplatz. Von dort ging es zur Stadtverwaltung, die im Schmalzturm untergebracht war. Böller wurden gezündet, Musiker stimmten lustige Lieder an, der Oberbürgermeister wurde entführt und zum Mohrenwirt gebracht. Dabei musste er durch eine Menge verkleideter Schaulustiger. Im Mohren gab es Weißwürste und etliche Halbe Bier, Reden wurden gehalten und, wie in jedem Zeitungsbericht zu lesen, Schrammelnmusik zum Besten gegeben.

In den Anfangsjahren fand auch ein Umzug statt. Bilder aus jener Zeit zeigen einen festlichen Prinzenwagen, auf dem der komplette Hofstaat Platz fand. Der Gardewagen wurde später beim Ruethenfest zum Stadtwagen umfunktioniert. Offenbar nahmen nicht nur Landsberger am Umzug teil, im Jahr 1950 rückte das Dießener Faschingspaar mit der Nachbildung eines Schiffs an. Der Umzug war politischer als heute. Oberbürgermeister und Stadtrat wurden häufig aufs Korn genommen. 1953 wurde der singende Stadtrat dargestellt. Die Mitfahrer steckten ihre Köpfe durch ein Loch in der Rückwand des Wagens, auf die die ein Jahr zuvor aufgestellte Figur des Vater Lech gemalt war.

Römischer Streitwagen rauscht durch den Zederbräusaal

Das Faschingstreiben in der Stadt blieb lange Jahre gleich. Die Kinder durften maskiert in die Schule, während sich die Erwachsenen am Vormittag in den Gasthäusern zum Weißwurstfrühstück trafen. Der Nachmittag gehörte den Mädchen und Buben, die in den Gassen und auf Kinderbällen feierten. Am Abend fanden die Lumpenbälle statt. Beim Hofball der Licaria fuhr schon mal ein römischer Streitwagen durch den Saal des Zederbräus. In den Landsberger Nachrichten und später im Landsberger Tagblatt erschien an diesem Tag der „Lachtrichter“, eine satirische Faschingsbeilage, in der 1957 unter anderem der Umzug des Landratsamtes nach Kaufering vermeldet wurde.

Ende der 50er-Jahre begann der Niedergang der Faschingsgesellschaft. 1958 erkrankte deren Vorsitzender Hanns Heinz kurz vor den närrischen Tagen. Das Landsberger Tagblatt berichtet von einem eher ruhigen Fasching. Ein Jahr später blieb der Prinzenthron erstmals verwaist. Zwar übernahm in diesem Jahr kurzfristig das Prinzenpaar des Landratsamtes das Zepter, dem Lumpigen Donnerstag fehlte dennoch die Würze, wie im Lachtrichter kommentiert wurde.

Die zweite „herrscherlose“ Faschingszeit muss Landsberg 1960 überstehen. Dem Treiben in der Stadt tat dies wenig Abbruch. Die Kinder vergnügten sich im neu gebauten, offenen Eisstadion, die Erwachsenen bei etlichen Bällen. Ein Jahr später wird der Vorsitzende der Faschingsgesellschaft im Lachtrichter als Konkursverwalter bezeichnet. Das Tagblatt trauert Prinzenpaar und Umzug nach und beklagt sich, dass nur mehr ein närrischer Rahmen geblieben ist.

Im Jahr 1962 erscheint im Lachtrichter eine Anzeige mit einem Lebenszeichen der Licaria. Doch die Landsberger scheinen die Glanzzeiten des Faschings zu vermissen. Im Jahr darauf sind es die Schüler der Oberrealschule, die das närrische Treiben wieder aufpolieren. Sie sind auf Wagen und mit Fußgruppen unterwegs, die Bevölkerung nimmt regen Anteil. „Der Landsberger Faschingszug liegt im Sterben“ lautete eines der Themen. Ein anderer Wagen spielte auf den eben geschlossenen deutsch-französischen Vertrag an – der deutsche Michl und die französische Marianne gaben ihre Verlobung bekannt.

Schüler inthronisieren ein Faschingspaar

Der Umzug der Schulen findet auch 1964 statt. Dabei inthronisierten die Schüler Tage zuvor im Ballsaal des Kratzerkellers überraschend ein Faschingspaar mit Hofmarschall, Elferrat, Garde und Hofnarr. Der Gaudiwurm besteht aus 18 Wagen, die Musikkapelle Graben, die in den folgenden Jahren immer mit von der Partie ist, spielt zum ersten Mal. Ein Jahr später nehmen 500 Schüler teil, ein Prinzenpaar ist nicht mehr dabei. In den folgenden Jahren beteiligen sich auch die anderen Schulen der Stadt. 1976 berichtet das Landsberger Tagblatt von einem „Faschingstag der Rekorde“ bezogen auf Länge und Ausstattung des Zuges und die Zahl der Zuschauer.

Neben dem Gaudiwurm wächst auch das Treiben danach. Ende der 70er-Jahre vergnügen sich die Narren immer häufiger in den Diskotheken der Stadt. Der Lumpige Donnerstag hat sich mittlerweile auch überregional einen Namen gemacht, die Lokale in der Innenstadt sind daher oft schon am Vormittag überfüllt. Zum Umzug im Jahr 1985 kommen beinahe 8000 Menschen in die Stadt, 2000 Kinder ziehen in 76 Gruppen durch die Straßen. Nur einmal fällt der Gaudiwurm aus. Der Golfkrieg führt 1991 zur Absage. Dennoch wird gefeiert.

Immer häufiger fliegen in den Lokalen die Fäuste

Ende der 80er-Jahre muss die Polizei immer häufiger dem wilden Treiben im Anschluss an den Faschingszug Einhalt gebieten. Flaschen gehen zu Bruch, Scheiben werden eingeschlagen und in den Kneipen fliegen immer wieder die Fäuste. Anwohner klagen 1996 über erhebliche Sachbeschädigungen. Weil die Auswüchse immer schlimmer werden und Jugendliche bereits am Vormittag betrunken angetroffen werden, beschließt der Stadtrat 2002 eine Faschingsverordnung. Harte Alkoholika haben seither außerhalb der Gaststätten nichts mehr zu suchen, wer gegen Hausmauern uriniert, muss mit Strafe rechnen.

Mit dem Anstieg der Bevölkerung wächst auch die Zahl der Schüler und die Länge des Gaudiwurms. Zuletzt sorgten 138 teilnehmende Gruppen für einen neuen Rekord. Organisiert wird der Umzug nach wie vor von den Schülern des Ignaz-Kögler-Gymnasiums. Die Stadt hat zwar mittlerweile die Verantwortung bezüglich Versicherungen und Abnahme der Fahrzeuge, die innere Organisation mit Anordnung der Gruppen übernehmen Schüler, unterstützt von Lehrern.